Bihkkhui Thích Thông Phương
am 11.10.2009
Namo Sakyamuni Buddha
Sehr geehrte Damen und Herren,
1. ENTSTEHUNG:
Der
Buddhismus – genauer die Lehre des Buddha – ist seit mehr als 2000 Jahren
in Vietnam bekannt. Schon seit Beginn seiner Geschichte war Vietnam
wegen seiner günstigen geographischen Lage, seiner Häfen für den
Zwischenaufenthalt und als Ziel von See-/Handelswegen eine florierende
Drehscheibe zwischen den Weltmeeren. Auf dem Seeweg kamen auch die
indischen Söhne des Buddha als Mitreisende auf Segelschiffen jener
Handelsflotten nach Vietnam. Dies ist einer der Gründe für die frühe
Entwicklung des vietnamesischen Buddhismus, welcher als ursprünglich,
als direkt aus Indien übertragen gilt. Die späteren chinesischen
Übertragungswege gehören schon zu den nächsten, späteren Phasen der
Verbreitung des Buddhismus in Vietnam.
Nach
schriftlichen historischen Quellen hat bereits im 3. Jahrhundert ein
aus Indien-stammender Dhyana*-Meister – sogdischer Abstammung – Khuong Tang
Hoi, der in Vietnam geboren und aufgewachsen war, die Dhyana*-Methode 'An Ban Thu Y' unterrichtet [Pali:
Anàpànasati; Sanskrit: Anapranasmrti]. Diese Methode ist auch
dem Mahayana-Buddhismus zugehörig.
[*] 'Dhyana' [sanskr.], bzw. 'Thiền-na' [vietn.], 'Chan-na' [chin. Umlaut], 'Son-na' [korean. Umlaut] oder 'Zen-na' [japan. Umlaut}. Abkürzung: 'Thien', 'Chan', 'Son' oder 'Zen'.
[*] 'Dhyana' [sanskr.], bzw. 'Thiền-na' [vietn.], 'Chan-na' [chin. Umlaut], 'Son-na' [korean. Umlaut] oder 'Zen-na' [japan. Umlaut}. Abkürzung: 'Thien', 'Chan', 'Son' oder 'Zen'.
Das
'Zen außerhalb der kanonischen Übertragung' aus dem Reich der Mitte
beginnt mit dem Dhyana-Meister Vinidaruci, dann folgt Vo Ngon Thong,
danach Thao Duong.
- Im 6. Jahrhundert: Der indische Dhyana-Meister Vinidaruci reiste ins Reich der Mitte ['China'], um als Schüler des Weges gemeinsam mit dem Patriarchen Tang Xan, dem dritten Patriarchen des chinesischen [Chan-]Zen-Buddhismus, den Buddha-Dharma – den Mittleren Weg, zu verwirklichen. Danach wanderte er weiter nach Vietnam. Hier in Vietnam wurde zum ersten Mal Thien-Tong – die erste Dhyana-/Thien-/Zen–Strömung des Zen-Buddhismus – übertragen, in der Phap Van Pagode in der heutigen Provinz Bac Ninhs in Nordvietnam.
- Bis zum 9. Jahrhundert: Der chinesische Meister Thien Su - Dhyana-Meister Vo Ngon Thong ['Der sprachlos gewordene Weise'] kommt mit der Übertragung der zweiten Zen-Strömung in die Kien So Pagode, die auch in Nordvietnam liegt.
- Im 11. Jahrhundert kommt ein anderer Thien Su-Dhyana-Meister, Thao Duong, mit der Übertragung der dritten Thien-/Zen-Strömung nach Vietnam.
- Seit dem 13. Jahrhundert: Tran Nhan Tong aus der Tran Dynastie, König von Vietnam, ein königlicher Held des vietnamesischen Volkes übergab den Thron seinem Sohn und wanderte in die Berge in Richtung Yen Tu Gebirge, im Norden Vietnams. Er hatte das besitzlose Leben für sich gewählt, wurde voll ordiniert und folgte somit aufrichtig und eifrig seinem Praxisweg. Er vereinigte die oben erwähnten drei Dhyana-/Thien-/Zen-Strömungen und begründete die Truc Lam Yen Tu – Bambuswald-Zen-Tradition. Diese ist eine offiziell anerkannte Zen-Tradition des vietnamesischen Buddhismus, von Vietnamesen vereinigt, insbesondere durch die Autorität eines sehr ruhmreichen Königs.
2. ESSENZIELLE GRUNDLAGE DER LEHRE UND PRAXIS:
Die wegweisende Essenz der Lehre und Praxis des Thien Tong – Vietnamesischer Zen-Buddhismus – ist:
„Zeige direkt auf das Herz des Wahren Geistes aller Lebewesen. Der das Wahre-Wesen erblickt, wird Buddha. Buddha ist der Wahre-Geist. Der Wahre-Geist ist die Wurzel aller Dharmas. Wem Geist innelebt, dem lebt auch Buddha inne! Und auch er ist fähig einmal Bodhi-Bewußt zu sein und somit lässt sich das Rechte-Bodhi verwirklichen.“
„Zeige direkt auf das Herz des Wahren Geistes aller Lebewesen. Der das Wahre-Wesen erblickt, wird Buddha. Buddha ist der Wahre-Geist. Der Wahre-Geist ist die Wurzel aller Dharmas. Wem Geist innelebt, dem lebt auch Buddha inne! Und auch er ist fähig einmal Bodhi-Bewußt zu sein und somit lässt sich das Rechte-Bodhi verwirklichen.“
Der 'Geist' befindet sich aber nicht außerhalb einer menschlichen Person. Daher betonen wir ausdrücklich:
Reflektiere
stets über das eigene Selbst. Entdecke und entfalte die eigenen
latenten Fähigkeiten, über die jeder verfügt und bringe diese zum
Einsatz, damit wir selbst erkennen, dass wir alle fähig sind, nach der
eigenen großen Erkenntnis zu streben. Wir gewinnen als Menschen damit
unser Selbstbewusstsein zurück, wir haben es in der eigenen Hand.
Ob
Vietnamese, Chinese oder Deutscher, Franzose oder Amerikaner, wer einen
Geist besitzt, besitzt auch das Potential eines Buddha. Buddhas-Werdung ist also nicht etwa nur jemand Bestimmtem vorbehalten oder nur an einem
bestimmten Ort möglich. Dies ist eine Wahrheit, die für alle Lebewesen
gleichermaßen gilt. Daraus schließen wir, dass die Wahrheit schon im
eigenen Innern vorhanden ist.
Seit
jeher sind Schüler des Weges unermüdlich unterwegs auf der Suche nach
der Wahrheit [sanskr.: Satya]. Aber ihre Suche ist nach außen gerichtet
und sie suchen etwas außerhalb ihrer selbst, daher finden sie nichts und
fühlen sich auch nie zufrieden. Falls sie doch etwas finden, dann sind
es auch nur einige einzelne Facetten, etwas Vollkommenes ist es jedoch
nicht. Währenddessen ist aber die Wahrheit die ganze Zeit über bereits
in ihnen selbst anwesend. Wenn hier von 'Wahrheit' die Rede ist, wie
kann dann die Wahrheit erkannt werden? Die Wahrheit kann sich doch nicht
selbst erkennen. Aber der Wahre Geist kann die Wahrheit erkennen! Das
ist die lebendige Wahrheit! Aber wenn schon die mentale Psyche nicht
ehrlich, nicht klar ist, wie kann man die Wahrhaftigkeit deutlich und in
Klarheit erkennen? Hier sollten wir uns von allem abwenden, was 'außerhalb' ist. Hier ist eine introvertierte Selbst-Reflexion des
eigenen Geistes entscheidend wichtig. Wenn der eigene Geist klar ist,
erscheint auch die Wahrheit in voller Gestalt. Dies ist ein entscheidend
wichtiger Knotenpunkt, den man sehr oft vergisst oder übersieht.
Wer
zum Beispiel mit einem egoistischen mentalen Geist andauernd wertet und
verurteilt, empfindet auch nur Widerliches, Wertvolles und Wertloses,
Gewinn und Verlust, usw. Dazu ein Beispiel: Ein legendärer Spruch des
Buddha lautet:
„Über und unter dem Himmel zählt nur das Eigene Selbst als wertvoll und unübertrefflich“. [*]
Wenn
man mit einem wertenden Geist über ein 'Selbst' diesen Spruch zu
verstehen versucht, kommt man auf den Gedanken, dass der Buddha höchst
hochnäsig gewesen sein muss. Oberflächlich gesehen kann man diese
Aussage auch so verstehen, dass der Buddha sich selbst als
unübertrefflich bezeichnet. Mit einem Verständnis dieser Art hat man den
wahren Sinn noch nicht erkannt und unterschätzt damit den Buddha,
wertet ihn zu gering. Man ahnt nicht, dass der Spruch eigentlich eine
wahre Offenbarung ist – eine sehr tiefsinnige Botschaft an alle
Heilsucher, die den direkten Weg zur Erleuchtung suchen – eine Wahrheit,
welche allen Schein und alle Illusionen zerreißt und alle Wahrheit des
Weltlichen übertrifft.
„Überm Himmel, unterm Himmel – einzigste Verehrung dem Wahren Selbst.“
[* Wörtliche, sinngemäße Übersetzung]
[* Wörtliche, sinngemäße Übersetzung]
Seit
jeher lebt der Mensch dahin, ohne sein eigenes Selbst tiefgründig zu
durchleuchten. Währenddessen bestimmt das Selbst immerhin sämtliche
Interaktionen im Leben.
Die
Annahme, dass nur dieser leibliche Körper mit der mentalen Psyche, dem
Denken bzw. wertenden Geist, dem Verstehen und Wissen das Selbst
darstellt, ist sehr oberflächlich und bedenklich.
Nehmen
wir an, diesem Leib würde nach einem Unfall eine Hand, ein Bein, das
Herz oder die Nieren amputiert oder ausgetauscht. 'Wer' sind denn dann
jetzt die unbrauchbaren und ausgesonderten Körperteile? Für den
denkenden, wertenden Geist gibt es Momente, in denen das Denken in
Aktion ist, aber es gibt auch inaktive Momente. Beim Schlafen wird
bestimmt nicht mehr gedacht oder überlegt. Existiert währenddessen kein
Selbst?
Daher
weisen beim Zen oder Thien die ganzen didaktischen Schilderungen
ausdrücklich auf eine Prajna-Weisheit hin, die man auch 'Meisterlose
Weisheit' nennt. Denn diese Weisheit wurde nicht erreicht durch Befragen
oder Erlernen, nicht durch die Ansammlung von Wissen, sie wurde auch
nicht von einem Meister beigebracht. Jeder kann sie nur bei sich selbst,
aus seinem eigenen Geist heraus extrahieren.
Zen/Thien ist wahrhaftig eine lebendige Methode für das Leben, um
Harmonie zwischen Körper und Geist zu erzeugen. Um sich selbst wieder
zum eigentlichen Herrn des eigenes Hauses zu machen, wieder der
eigentliche Herr des eigenes Selbstes zu sein. Mit Thien/Zen werden wir
die Wahrheit, die noch tief in uns verborgen liegt, zu Tage fördern. Das
ist eine Realität und die können wir an uns selbst empirisch
bestätigen. Eine Bestätigung könnte hier und jetzt geschehen und muss
nicht erst auf das nächste Leben warten. Dies ist spirituell und doch
höchst wissenschaftlich, es ist eine Wissenschaft des transzendentalen
Geistes. Das Ganze erfordert die Mitbeteiligung und das Teilnehmen an
einer dazugehörigen Praxis. Aus der stattgefundenen Praxis entspringen
persönliche empirische Erfahrungen usw. und nicht etwa nur reine
Theorie.
3. ZEN - THIEN SETZT SCHÖPFERISCHE KRÄFTE FREI
FÜR KREATIVITÄT UND INNOVATIONEN:
FÜR KREATIVITÄT UND INNOVATIONEN:
Zen/Thien bedeutet: Leben mit der momentanen Realität, Leben im Licht des
Hier und Jetzt, unabhängig und losgelöst von allen vorgegebenen
Schablonen und eingeschränkten Bedeutungen der begrifflichen Welt,
erhaben über die vergoldete Matrix aller literarischen Überlieferungen.
Zen gehört weder zur Welt des mentalen noch zu der des begrifflichen,
intellektuellen Denkens.
Gleich
hier, liebe Freunde, im jetzigen Moment, solltet auch Ihr 'Hier und
Jetzt' 'anwesend' sein. Eine intuitiv tiefe Wahrnehmung der
gegenwärtigen Existenz des eigenen Wahren-Selbst ist entscheidend. Erst dann
lebt Ihr wahrhaftig im Hier und Jetzt.
Anderenfalls
hält sich der Körper an einem Ort auf und der Geist verweilt
währenddessen weit weg anderswo, es gibt also in dem Augenblick keine
bewußte Wahrnehmung der Existenz des eigenen Selbst. Stellen wir uns
demnach einmal die Frage: Wer ist es denn, der im gegenwärtigen
Augenblick lebt? Und mit was?
Das
kennzeichnet ein Leben in Abwesenheit eines Selbst, das Leben mit
zerstreutem Geist und zerstreuter Psyche. Und somit ist der Sinn des
Lebens wesentlich vermindert worden.
Der
Gründer-Patriarch der Truc Lam Yen Tu, Bambuswald-Zen-Tradition hat
lehrreiche Worte hinterlassen:
„Heilsucher, Tag um Tag verfliegt wie Pfeile, das Leben wartet weder auf Euch noch auf irgendwen. Wie konntet Ihr Euer Leben so gleichgültig behandeln, indem Ihr täglich Reis und Suppe esst, ohne die Schale und den Löffel zu erkennen?“
„Heilsucher, Tag um Tag verfliegt wie Pfeile, das Leben wartet weder auf Euch noch auf irgendwen. Wie konntet Ihr Euer Leben so gleichgültig behandeln, indem Ihr täglich Reis und Suppe esst, ohne die Schale und den Löffel zu erkennen?“
Dies
ist eine sinnbildliche Andeutung über eine energische, dynamische und
lebendige Lebenskraft, das gegenwärtige, strahlende Licht des Hier und
Jetzt, die immerzu gegenwärtige Realität des Lebens, die aber oft
versehentlich ignoriert wird. Damit haben wir das eigene, uns
innelebende, wahrhafte Selbst erlöschen lassen. Man nennt das ein Leben
in Abwesenheit eines Selbst, dem Wesenskern eines seligen Lebens.
Täglich
halten wir die Essschälchen in der Hand, mit Stäbchen und Löffel essen
wir Reis und Suppe [hier werden die Tätigkeiten unseres alltäglichen
Lebens angedeutet]. Dabei bewerten wir, wie gut dies und jenes schmeckt und alles mögliche Andere ... Dabei vergessen wir die latente, uns
innelebende Manifestation einer leuchtenden Bodhi-Bewussheit.
Genau
an diesem Punkt erweckt Thien/Zen alle Menschen zum Erwacht-Sein, um
eine strahlende Realität des Hier und Jetzt zu erleben. Und diese
übertrifft alle Grenzen des intellektuellen Denkens.
Wenn
wir ernsthaft zu uns zurückgekehrt sind, um vereint mit der eigenen
Realität des Hier und Jetzt zu leben, wird unser Geist von einer
erfüllenden Frische der Kreativität, einer unerschöpflichen Kraft des
Neu-Schaffens überflutet werden und zwar nicht mit begrifflichem,
intellektuellen Denken. Im Zen gibt es einen legendären Spruch:
„Trotz deines Wissensstandes – dem Meister gleich, von erhabener Güte – läufst Du ihm den halben Weg noch hinterher. Erst wenn Dein Stand den des Meisters übertrifft, kommst du in Betracht, die Übertragung als Nachfolger in Empfang zu nehmen.“
„Trotz deines Wissensstandes – dem Meister gleich, von erhabener Güte – läufst Du ihm den halben Weg noch hinterher. Erst wenn Dein Stand den des Meisters übertrifft, kommst du in Betracht, die Übertragung als Nachfolger in Empfang zu nehmen.“
Eine
kraftspendende Botschaft an alle Heilssucher oder Schüler des Weges:
Sie sollten völlig autark sein, um sich nicht im vorgefertigten Maßstab
Anderer zu verfangen. Wir müssen immer zunächst aus eigener Kraft und
den eigenen Reserven heraus handeln und nicht das Ganze dem Meister
überlassen und von ihm abhängig sein. Das bedeutet, dass jeder
Verantwortung für sich selbst übernehmen muss, um die eigene ihm
innelebende Wahrheit aufleuchten zu lassen, eine offene Weite für die
Entfaltung der eigenen schöpferischen Kreativität. Ein Weg für die
Vervollkommnung des Geistes ist eröffnet worden. Ein Weg für die
menschliche Fortentwicklung ist eröffnet.
Im
Thien/Zen ist folgende Geschichte verbreitet:
In der Gegend von zwei benachbarten Zen-Klöstern treffen sich eines Morgens zwei junge Zen-Novizen, der eine ist von Zen-Kloster A, der andere von Zen-Kloster B. Der Novize A fragt den Novizen B:
In der Gegend von zwei benachbarten Zen-Klöstern treffen sich eines Morgens zwei junge Zen-Novizen, der eine ist von Zen-Kloster A, der andere von Zen-Kloster B. Der Novize A fragt den Novizen B:
- „Wo gehst Du denn hin?“
Der Novize B antwortet:
- „Wohin meine Füße treten, eben dorthin gelange ich!“
Der Novize A ist überrascht und sprachlos, kehrt zurück und fragt danach seinen Meister und bittet ihm um Hilfe. Der Meister berät ihn:
- „Wenn
Du ihn wieder triffst, stelle ihm dieselbe Frage. Wenn er wieder
dieselbe Antwort herausrückt, frage ihn Folgendes zurück: „Was wäre
denn, wenn Du keine Füße hättest?“
Der Novize A stellte dem Novizen B dieselbe Frage, als sich die beiden am nächsten Morgen wieder treffen:
- „Wo gehst Du denn hin?“
Der Novize B antwortet:
- „Wohin der Wind mich weht, dorthin gelange ich eben.“
Der Novize A weiß nicht, wie es weiter gehen soll. Er kehrt in sein Kloster zurück und bittet seinen Meister nochmals um Hilfe. Der Meister berät ihn also nochmals:
- „Wenn Du ihn wieder triffst, stell ihm dieselbe Frage. Wenn er wieder dieselbe Antwort herausrückt, frage ihn Folgendes zurück:
- „Was wäre denn, wenn es keinen Wind gäbe?“
Der Novize A befolgt gerne die Anweisung. Am nächsten Morgen stellt er dem Novizen B wiederum die Frage:
- „Wohin gehst Du denn?“
Der Novize B entgegnet:
- „Ich gehe zum Markt und kaufe dort Gemüse ein.“
Der Novize A steht wieder sprachlos da, denn um zu wissen, wie es weiter geht, muss er vielleicht weitere Hilfe holen.
Wie
wir sehen, fehlt dem Novizen A kreatives Denken. Das ist das Produkt
eines passiven Lernprozesses. Er wiederholt nur das, was er vom Meister
jeweils gelernt hat. Neu auftretende Aufgaben kann er nicht
situationsgerecht lösen. Anders sieht es schon aus mit dem Novizen B. Er
ist kreativ, flink und lebendig, allen Umständen angepasst und doch
gelassen. Beim Zen wird die Freiheit zu individueller, weiser
Entscheidung betont und gefördert.
4. ENTFALTET EINE WAHRHEIT – DIE WAHRHEIT ZUR ERLEUCHTUNG DURCHDRINGT ALLEN RAUM UND ZEIT UND IST BEREITS VORHANDEN:
Im
Lotus-Sutra [sanskr: Saddharma-pundarika-Sutra] offenbarte uns der
Buddha Sakyamuni den Manifestationsgrund, wofür Buddhas aller Zeiten auf
der Welt erscheinen. Der Grund hinter allen Gründen ist, dass sie alle
Lebewesen darauf hinweisen, ihre eigene Buddha-Weisheit und Erleuchtung
zu verwirklichen, welche auch die Buddhas aller Zeiten selbst
verwirklicht haben. Aus purem reinem Buddha–Mitgefühl weisen sie alle
Lebewesen darauf hin, dass sie seit unzähligen Zeiten eines vergessen
haben: Dass eine ihnen innelebende Wahrheit bereits vorhanden ist, die
Ursubstanz und zugleich das Fundament, aus welchem alle Erleuchtung und
werdende Verwirklichung hervorgeht und ermöglicht wird. Denn statt diese
bis zur Vervollkommnung zu pflegen, lassen sie sie von allen möglichen
geistigen, mentalen Illusionen trüben und verdunkeln. Dies ist eine für
alle Wesen gleichermaßen gültige Wahrheit.
Zen/Thien öffnet uns Türen und Tore, erweckt Menschen zu derselben
Wahrheit, bekräftigt ihr eigenes Selbstvertrauen, ihre eigene
Verwirklichung selbst in die Hand zu nehmen, denn all dies liegt nicht
außerhalb ihres eigenen Selbst.
Wenn
wir uns jetzt ganz ruhig hinsetzen und mit der Thien-/Zen-Grundübung
beginnen, wenn dann der mentale Geist einigermaßen zur Ruhe gekommen
ist, können wir unsere inneren geistigen Interaktivitäten viel besser
erkennen. Jetzt werden wir entdecken, dass unsere Psyche wie eine
Impulsströmung ist, welche unaufhörlich nacheinander und ineinander
fließt. Der psychische Fluss fließt und fließt, flutartig und stürmisch.
Noch eine Stufe weiter entdecken wir, dass stets noch ein 'absolut
lautloser Beobachter' anwesend ist, der alle diese Gedanken–Impulse
wahrnimmt und sich eigentlich des ganzen Geschehens bewußt ist. Das
bedeutet, all diese Gedanken–Impulsströmungen, etc. sind Objekte, deren
Manifestation von einem 'Beobachter' stets lautlos wahrgenommen wird und
deren er sich bewußt ist. Somit wird 'er' jedes Mal, wenn z.B. ein
Gedankenimpuls auftaucht, sich dessen sofort bewußt. Folgerichtig ist
seine Anwesenheit als noch vor jeder Erscheinung jenes Gedankens
anzusehen. Von dieser Realität haben wir aber leider seither nichts
gewusst.
Dies
ist nur ein ganz leises Aufwecken, ein andeutender Denk-Anstoß, um uns
auf ein noch unentdecktes bzw. längst vergessenes Phänomen aufmerksam zu
machen. Mit Thien/Zen beleuchten wir unseren Geist mit zunehmender
Intensität, so dass die innelebende eigene Wahrheit deutlicher und
klarer erscheint. Dieses lautlose beobachtende Wesen nennen wir u.a.
auch 'Bodhi–Bewußtheit'. Ob wir denken oder nicht denken, es ist sich
dessen trotzdem kontinuierlich bewußt. Gleichgültig, ob ein Objekt oder
kein Objekt da ist, trotz allem ist sich die 'Bodhi-Bewußtheit' dessen
stets bewußt und verschwindet nicht! Wenn wir uns genau an dieser
Stelle mit der Wahrheit wieder vereinigen, dann sind wir an der
Ur-Quelle des Wahren Geistes angekommen. Ein Licht des gegenwärtigen
Hier und Jetzt ist entzündet worden. Dem Leben wird ein völlig neuer
Sinn verliehen.
Der Gründer-Patriarch des Yen Tu Bambuswald Truc Lam hatte dazu einen Vers verfasst:
„Vergnügt auf dem 'Weg', mitten im Samsara:“
„Hier Samsara, heiter auf Mittlerem Weg, lass alles 'So-Kommen'!
Wenn hungrig dann iss, ebenso müde, schlafen!
Schätze leuchten im Haus, suche nicht draußen!
Aller Schein, mit 'leerem Geist' erblickt, so frage nicht nach Zen!"
'Der
Mittlere Weg' oder die Wahrheit, die zur Erleuchtung führt, ist bereits
alltäglich, mitten im weltlichen Leben vorhanden, man muss sie
nirgendwo weit weg draußen suchen. Wenn wir geschickt und fähig sind,
uns allen Umständen anzupassen, wird unser geistiger Weg leicht sein und
wir gelassen – „… Wenn hungrig dann essen, wenn müde, dann eben
schlafen …“. Man muss nicht noch extra dazu eine ganze Denk-Konstruktion
um das Essen und Schlafen, usw. erschaffen, um selbst darin, im Essen und
im Schlafen, etc. das eigene Selbst 'ertrinken' und 'verschlafen' zu
lassen. Diese Wahrheit zur Erleuchtung ist allzeit gegenwärtig. Denn
gerade während wir mit all den imaginären Illusionen konfrontiert
werden, ist unser Wahrer Geist stets deutlich und vollkommen. Hier muss
man keine quietistische Weltflucht unternehmen oder dem Leben entsagen,
um den 'Mittleren Weg' noch anderswo zu suchen. Dies ist eine reale
Wahrheit mitten im weltlichen Leben, welche jeder für sich selbst
verwirklichen kann.
Noch
ein anderer König, Tran Thai Tong, auch er lebte im 13. Jahrhundert,
ist ein lebendiges Beispiel dafür. Obwohl er mit allen anfallenden
Arbeiten eines Königs beschäftigt war, konnte er dennoch den Wesenskern
des Zen verwirklichen. Folgende von ihm hinterlassene Worte sind
kraftspendend:
„… Es gibt Menschen, welche ihr ganzes Leben verpassen, indem sie sich selbst im Vergnügen des Essens begraben. Es gibt aber auch noch nicht erwachende Menschen, die noch keinen Ausgang für ihren Praxisweg gefunden haben. Wer hätte schon geahnt, dass ihre eigene Bodhi-Bewußtheit, bei jedem von ihnen, bereits vollkommen ist. Wer hat schon gewusst, dass sie bei Keinem fehlt, ihren eigenen vollauf kerngesunden Samen der Prajna-Weisheit bereits in sich tragend …"
„… Es gibt Menschen, welche ihr ganzes Leben verpassen, indem sie sich selbst im Vergnügen des Essens begraben. Es gibt aber auch noch nicht erwachende Menschen, die noch keinen Ausgang für ihren Praxisweg gefunden haben. Wer hätte schon geahnt, dass ihre eigene Bodhi-Bewußtheit, bei jedem von ihnen, bereits vollkommen ist. Wer hat schon gewusst, dass sie bei Keinem fehlt, ihren eigenen vollauf kerngesunden Samen der Prajna-Weisheit bereits in sich tragend …"
Der
König selbst hatte die Wahrheit erkannt, dass diese bei jedem Menschen
bereits vollkommen ist. Und er persönlich hatte diese Wahrheit selbst
empirisch erfahren und verwirklicht. Daher stammt seine Aussage aus
seiner eigenen, persönlichen, empirisch bewiesenen Erfahrung, sie
entspringt der Wahrheit und nicht etwa einer glatten Hypothese und
Theorie.
5. ZUSAMMENFASSUNG:
Die
Ur-Quelle und Wurzel des Dhyana–Thien-na bzw. Zen-na [Abkürzung: 'Zen'] ist Gautama Sakyamuni Buddha. Er hatte die 'Thiền Định' oder das
'Dhyana-Samadhi' unter dem Bodhi-Baum praktiziert und die vollkommene
Erleuchtung erlangt und verwirklicht.
Die
Truc Lam Yen Tu – Bambuswald-Zen-Tradition – ist eine vietnamesische
Zen-Tradition, welche der Vereinigung durch Vietnamesen entstammt, wobei
hier noch ganz besonders gilt, durch einen königlichen Helden des
vietnamesischen Volkes, mit der Autorität eines sehr ruhmreichen Königs.
Die
Essenz seiner Lehre und Praxis lautet:
„Buddha gleicht dem Wahren-Geist. Wem Geist innelebt, dem lebt auch Buddha inne.“
Dabei gibt es keine Unterschiede in Bezug auf Rasse und Hautfarbe. Und gerade dieser geistig wahrhaftige Aspekt fördert und ermutigt alle Menschen in ihrem eigenen Selbstvertrauen. Dadurch wird eine erwachende Einsicht von durchdringender Offenheit, Toleranz und Verständigung in Bezug auf sich selbst und zwischen den Menschen und ihrer umgebenden Welt ermöglicht. Denn jeder hat ja ohnehin einen Geist, somit lebt auch jedem ein Buddha inne. Somit ist bei Jedem die Wahrheit zur Erleuchtung vollkommen und vollständig bereits vorhanden.
„Buddha gleicht dem Wahren-Geist. Wem Geist innelebt, dem lebt auch Buddha inne.“
Dabei gibt es keine Unterschiede in Bezug auf Rasse und Hautfarbe. Und gerade dieser geistig wahrhaftige Aspekt fördert und ermutigt alle Menschen in ihrem eigenen Selbstvertrauen. Dadurch wird eine erwachende Einsicht von durchdringender Offenheit, Toleranz und Verständigung in Bezug auf sich selbst und zwischen den Menschen und ihrer umgebenden Welt ermöglicht. Denn jeder hat ja ohnehin einen Geist, somit lebt auch jedem ein Buddha inne. Somit ist bei Jedem die Wahrheit zur Erleuchtung vollkommen und vollständig bereits vorhanden.
Möge
jeder von uns diese wahrhaftige Realität, diese lebendige Wahrheit
intuitiv erkennen, leben und im Hier und Jetzt verwirklichen. Somit
streben wir nach einem Leben im wahrsten Sinne des Wortes, denn dieses
hat für uns jetzt einen aufrichtigeren, vollständigeren Sinn ■
Namo Sakyamuni Buddha
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !
***
„Überm Himmel, unterm Himmel – einzigst Verehrung dem Wahren Selbst.“
Im Originaltext [vietnamesisch, chinesische Umlaut]:
"THIÊN THƯỢNG - THIÊN HA - DUY NGÃ - ĐÔC TÔN".
Im Originaltext [chinesisch, vietnamesisch, koreanisch, japanisch] ist die Übersetzung des Wortes 'Selbst' so abstrakt, dass man dieses 'Selbst' beliebig aus der eigenen Sicht interpretieren kann. Da dieses 'Selbst' [im asiatisch-fernöstlichen Sprachraum] wörtlich ebenso als 'Eigene Selbst', aber auch als 'Ego', 'ich-Person' verstanden wird.
Somit ist das Wort 'Eigene Selbst' sehr vieldeutig und daher der Grund, dass Buddhas-Wort über das 'Eigene Selbst' in diesem Kontext oft zu Diskussionen mit den geistigen Phänomenen über das 'Selbst' führt.
Aus der Sicht der buddhistischen Terminologie, welche auf intuitive Erfahrungen basiert, ist das 'Eigene Selbst' – hier in diesem Kontext – als das 'Wahre Selbst' gemeint. Das 'Eigene Selbst' doch als 'Ego' zu verstehen, ist eine typische Interpretation des Wortes, welche lediglich auf Begrifflichkeit basiert und daher [wie im obigen Text] eine Erklärung des Abtes bedarf.
***
Zen-Kloster Truc Lam Yen Tu und Truc Lam Da Lat – Vietnam
Truc Lam Yen Tu
Bambuswald-Zen-Tradition, Vietnamesischer Zen-Buddhismus
Bambuswald-Zen-Tradition, Vietnamesischer Zen-Buddhismus
Erste Deutsche Übersetzung aus dem Vietnamesischen
von Chính Tâm
Diese Übersetzung unterliegt strikt den
'8 Richtlinien für die buddhistischen Zen-Gelehrten und Sutren-Übersetzer'.
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