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"Jeder Tritt zertrümmert unzählige Buddha-Reiche !

Jeder Blick verstummt ganzes Dharmakaya !"

Mittwoch, 30. April 2014

EIN MANN, SEINE VIER FRAUEN UND DIE BEFREIUNG DES GEISTES







Noch zu Lebzeiten Buddhas wandte sich ein Mann an Buddha mit der Frage, warum – obwohl er alles besitzt – doch noch so viel leiden muss? Als Antwort erzählte Buddha dem Heilsucher folgende Geschichte:

„Es gab einen Mann, der einmal überprüfen wollte, wie treu seine vier Frauen sind.


So blickte er zu seiner ersten Frau, die er jeden Tag an seiner Seite hat und fragte: „Nah' du Allerliebste, wenn ich jetzt sterbe, wie weit würdest du mich begleiten?“.


Die erste Frau entgegnete ohne zu zögern: „Wenn du jetzt stirbst, dann verlasse ich dich aber sofort – begleite ich dich nicht!“


Voller Enttäuschung wendete sich der Mann zur zweiten Frau, die er auch sehr lieb gewonnen hatte, mit derselben Frage.


Darauf erwiderte die Zweite: „Wenn du jetzt stirbst, begleite ich dich bis zur Haustür.“ Der Mann wollte sich nochmals vergewissern: „Nur so weit?“. Die Frau bestätigte: „Was willst du denn noch? Bis zur Haustür – mehr nicht!“.


Ernüchtert von den bisherigen Äußerungen seiner liebsten Frauen, ging er zur dritten Frau, der er ab und zu seine Aufmerksamkeit schenkte, mit dem gleichen Anliegen: „Und du – was wirst du tun, wenn ich jetzt sterbe? Wie weit begleitest du mich?“.


Wohlgesonnener sagte die dritte Frau: „Dich zu begleiten mache ich schon, aber nur bis zum Grab und das ist das Letzte, das ich für dich tun kann!“. Der Mann hatte sich noch mehr von seinen Frauen erhofft.


So begab er sich mit allerletzter Hoffnung zu der vierten Frau.


Die Vierte antwortete erstaunt: „Du fragst mich etwas? Das du das überhaupt tust – was für ein Wunder! Lebenslang hast du mich nie geliebt. In diesem Hause bin ich wie eine Fremde für dich. Aber, wenn du jetzt stirbst, begleite ich dich vom Bett zur Haustür, zum Grab und bis ins Jenseits des Lebens und Sterbens. In vergangenen Leben und dem jetzigen, aber auch in den nachfolgenden – egal wo du bist –, bin ich wie Licht und Schatten für dich. Ich weiche niemals von deiner Seite.“ 



***

Wer ist diese erste Frau?

Diese Frau ist symbolisch für unser Geld, Brieftasche, Gold und Silber, welches wir tagtäglich am Körper mit uns tragen. Nach unserem Sterben gehört uns davon plötzlich nichts mehr. Es wird sofort weggenommen. Der Besitzer wechselt im Nu, ob wir das wollen oder nicht wollen. Unsere Kinder tun das. Wenn nicht, dann tun es Andere. Sie streiten sich sogar darum. Sie werden alles von uns nehmen, was wir am Körper tragen, bis zum letzten Taler, Ring und Kette. Nichts dergleichen begleitet uns bis zur 'Haustür'.


Wer ist die zweite Frau?

Sie ist gleichnishaft für unser Vermögen, Häuser und Grundstücke, Lebenswerke. Das Ganze gehörte uns, doch mit einem Male entgleitet es uns und augenblicklich ist ein neuer Besitzer dafür da.


Wer ist die dritte Frau?

Diese Frau versinnbildlicht unsere Geliebte, die Freunde, Nachbarn und Bekannten. Mag sein – wie sehr wir sie lieben oder sie uns lieben – lediglich bis zum Grab können sie uns begleiten. Nicht mehr – nicht weniger! Selbst, wenn sie es wollten, dort müssen wir uns verabschieden – für immer!


Und wer ist die vierte Frau?

Sie stellt unser 'Karma' dar. Dieses 'Karma' begleitet uns über das Meer des Lebens, Sterbens und auch noch darüber hinaus – ein nach dem anderen Leben. Und wir wissen gar nichts über dessen Existenz – ist das nicht bedauerlich? Und was ist 'Karma' überhaupt? 'Karma' ist 'unser' Handeln, Tun und Tat, dass wir in unzähligen Leben bis in dieses anhäufen, doch auch in vielen künftigen Leben noch anhäufen werden."


Von dieser Antwort war der Mann äußerst überrascht und wurde nachdenklich. Eine Frau, die ihm so treu ist, wie konnte er ihr nie Aufmerksamkeit schenken? Erschüttert von dieser Erkenntnis, bereute er sein Handeln zutiefst.



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Leid, dessen Ursache unbewusst ist, nimmt niemals ein Ende. ‚Aus einem aus Eisen und Stein gebauten Gefängnis mag eine Befreiung sehr langwierig sein, doch eines Tages sind die Insassen wieder frei. Jedoch ein aus dem Schein des Geistes gebildetes Gefängnis ist noch viel schwieriger zu überwinden.‘ Hierzu hat Buddha uns einen konkreten Weg aufgezeigt: 'Ein aus dem Geist gebautes Gefängnis kann nur vom Geist selbst zerstört werden.'


'Befreiung ist der Moment, wenn der Geist 
seinem eigenen Wahren Wesen bewußt ist.'


***




Aus den buddhistischen Sutren und der Zen-Literatur
ausgewählt, verarbeitet und übersetzt durch Chinh Tam
mit Unterstützung für die deutsche Version durch Michael, Mechthild
und Freunde der Bodhi-Kontinuum-Zen-Gruppe

Bambuswald-Zen-Tradition, Vietnamesischer Zen-Buddhismus
München, den 30. April 2014





BUDDHA UND DREI VEREHRUNGEN



LOBPREIS-GESANG

Leidenschaftlich, aus tiefer Verehrung zitierte eine Frau den Namen Buddhas. Der Gesang wurde von Trommeln und Glocken begleitet. Von früh bis in die Abendstunden ist sie fast wie in Trance im Buddhas-Namen-Gesang versunken. Plötzlich rief ein Junge durchs Fenster hinein: „Hey, du alte Frau – was murmelst du denn da?“. Die Frau kochte vor Wut, krempelte ihre Ärmel hoch, ballte ihre Fäuste und rief: „Wieso störst du mich in meiner Buddha-Verehrung? Mit ihm kommuniziere ich gerade! Was geht’s dich an? Hau ab – aber schnell! Sonst lernst du aber meine andere Seite kennen, wenn ich mit dem Gebet fertig bin!“. Der Junge erwiderte: „Seit früh bis jetzt hast du den Buddha-Namen gesungen und der Buddha hat nicht ein Mal böse auf dich reagiert. Und ich – ich habe nur ein einziges Mal gefragt und da willst du mir schon deine Kehrseite zeigen?! Also, so wie du den Namen Buddhas gesungen hast, um mit ihm zu kommunizieren und mir dennoch deine Kehrseite zeigen willst, dann hätten die Papageien längst Erleuchtung erlangt.“


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VERACHTUNGS-GEREDE

Es gab eine Frau – von Maras bezahlt –, um Buddha drei tagelang zu beschimpfen. Bis zu ihrer Erschöpfung beschimpfte sie Buddha nun die Tage über von morgens bis abends. Am dritten Tag fragte Buddha: „Verehrte Frau – stelle dir vor, du hast Gäste geladen, denen du eine gute Mahlzeit bereitest. Diese sind aber nicht gekommen. Wem gehören die Speisen?“ Die Frau antwortete: „Mir gehören sie selbstverständlich.“ Buddha fragte wiederum: „Auch, wenn das Essen verdorben ist?“ Die Frau: „Ja, auch dann. So werde ich es selber essen. Es gehört mir.“ Daraufhin der Buddha: „Verehrte Frau – den Tathagata hast du drei tagelang aufs Ärgste beschimpft, so wie du mir in diesen drei Tagen schlechte Speisen dargeboten hast, dazu habe ich lediglich gelächelt. Nun sind die Speisen verdorben und ich habe nichts davon gegessen. Mir gehört das Essen nicht. So gehört das Essen immer noch dir, denn Tathagata hat davon nichts gegessen.“


***

ZERSTÖRUNGSDELIKT

An einem eiskalten, verschneiten Tag im Tiefwinter besuchte ein Zen-Meister einen buddhistischen Tempel in den Bergen. Dort angekommen, sah der Zen-Meister herrliche, vergoldete Buddha-Holz-Statuen auf dem Altar. Nach der Verbeugung vor ihnen, nahm er eine Statue und zerhackte diese, um ein Feuer anzuzünden und sich daran zu wärmen. Da erschien der Tempel-Meister und fragte ihn: „Wieso zerhackst du meine Buddha-Statue?“ Darauf antwortete der Zen-Meister: „In so edlen Buddha-Statuen müssen bestimmt versteckte Buddha-Reliquien zu finden sein? Ich bin auf der Suche nach ihnen.“ Der Tempel-Meister daraufhin: „Du Idiot! In einer Buddha-Statue gibt es keine Buddha-Reliquien! Buddha ist nicht in einer Buddha-Statue zu finden!“ Der Zen-Meister: „So?! Wenn kein Buddha in dieser Buddha-Statue zu finden ist, dann zerhacke ich doch noch weitere Buddha-Statuen, um einzuheizen, denn mir ist es kalt!“ Da kniet sich der Tempel-Meister vor lauter Dankbarkeit auf den Boden nieder – denn in ihm blitzt das Licht der großen Erkenntnis auf.“


Als Antwort kniete sich der Zen-Meister tief auf dem Boden vor der brennenden Buddha-Statue nieder. Die beiden Meister warfen sich drei Mal nieder vor der brennenden Buddha-Statue und danach genossen sie gemeinsam beim Tee die Wärme noch bis zum Tagesanbruch.

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Aus den buddhistischen Sutren und der Zen-Literatur
ausgewählt, verarbeitet und übersetzt durch Chinh Tam
mit Unterstützung für die deutsche Version durch Michael, Mechthild
und Freunde der Bodhi-Kontinuum-Zen-Gruppe
Bambuswald-Zen-Tradition, Vietnamesischer Zen-Buddhismus

München, den 30. April 2014