Công án:
Zen-Meister Ba Truong ist Dharma-Nachfolger von Ma To. Ma To gründete eine Zen-Tradition und Ba Truong pflegt und führt die Tradition lebendig fort. Die
beiden sind die Setzer der ersten Kiefer eines Kiefernwaldes. Eines
Tages nach dem der Ba Truong mit seinem Dharma-Vortrag fertig war – sämtliche
Zuhörerschaft hatte sich bereits zurückgezogen – bleibt nur noch ein alter Mann
übrig.
Der
Meister fragte:
– "Wer sind Sie?"
– "Wer sind Sie?"
Der
alte Mann antwortete:
– "Mensch bin ich wirklich nicht. Ehrlich gesagt, vom Wesen her bin ich ein wilder Fuchs. Während der Zeit des Buddhas der Vergangenheit praktizierte ich Zen auf diesem Berg. Damals gab es einen Mönch, der mich folgendes fragte: 'Verstricken sich die großen Zen-Praktiker nach der Existenzbeendigung ihres leiblichen Körpers im hiesigen Dasein noch im Strudel des Samen-Früchte-Kreislaufes?´." (*1.)
– "Mensch bin ich wirklich nicht. Ehrlich gesagt, vom Wesen her bin ich ein wilder Fuchs. Während der Zeit des Buddhas der Vergangenheit praktizierte ich Zen auf diesem Berg. Damals gab es einen Mönch, der mich folgendes fragte: 'Verstricken sich die großen Zen-Praktiker nach der Existenzbeendigung ihres leiblichen Körpers im hiesigen Dasein noch im Strudel des Samen-Früchte-Kreislaufes?´." (*1.)
Darauf
habe ich geantwortet:
Sinngemäß: – "Nein, sie verstricken sich nicht mehr darin !"
Wörtlich: - ["Saat-Früchte un-verstrickt !"]
Wörtlich: - ["Saat-Früchte un-verstrickt !"]
"Wegen
dieser Antwort war ich in das Dasein eines wilden Fuchses seit immerhin
fünfhundert Jahren verfangen. Heute ist der letzte Tag und ich erwarte von Dir,
dem Zen-Meister, einen Verwandlungsspruch. Möge ich mich dadurch aus diesem Wilden-Fuchs-Dasein befreien."
Nachdem
Zen-Meister Ba Truong zugehört hatte, antwortete er herzlich:
– "Bitte Herr, wiederholen Sie Ihre
Frage."
Der
alte Herr faltet die Hände zusammen und wiederholte seine Frage:
– "Verstricken sich die
großen Zen-Praktiker nach der Existenzbeendigung ihres leiblichen Körpers im
hiesigen Dasein noch im Strudel des Samen-Früchte-Kreislaufes?“
Der
Zen-Meister Ba Truong antwortete:
Sinngemäß: - "Sie ver-irren sich nicht mehr im Strudel
des karmischen Samen-Früchte-Kreislaufes !"
Wörtlich: - ["Saat-Früchte - un-verirrt !"]
Wörtlich: - ["Saat-Früchte - un-verirrt !"]
Dank
dieses Satzes erwachte der alte Herr an Ort und Stelle, zeigte eine dankbare Geste
und verabschiedete sich.
Am
nächsten Tag führte der Zen-Meister Ba Truong die Mönchsgemeinde zur anderen
Seite des Berges. Mit einem Stock grub er aus einem hohlen Felsen die Leiche
eines kürzlich verstorbenen wilden Fuchses aus. Er bat die Anwesenden, eine Totenzeremonie
für den Fuchs vorzubereiten, so als wäre diese für einen Mönch vorgesehen.
Kommentar:
Ein winziger
Splitter, verursacht jedoch große Gefahr. Wie kann das sein, der Eine wegen
eines winzigen falschen Festhaltens fünfhundert Jahre im Dasein eines wilden
Fuchses gefangen? Wie kann das sein, dank eines einzigen Spruchs im Nu befreit? So
verhängnisvoll ist das Karma des Mundwerks und wie kommt es zustande? Der Eine
verfängt sich wegen eines Splitters im Auge im Gefängnis der geistigen Verblendung.
Dank eines Spruchs erstrahlt das Licht der Befreiung in einem Augenblick. Herrlich,
oh wie herrlich, des Meisters Verwandlungsspruch!
Schau her,
großer Zen Praktiker, welcher erklärt, sich vom Karma–Kreislauf 'abgeschnitten'
zu haben. Aber unwissend das 'Samen-Früchte-Gesetz' übersehen, welches als
einer der wichtigsten Grundsätze der Lehre Buddhas gilt. Abgesehen von den
gängigen Wegen hinter den Dharma-Toren des Lebens und Sterbens:
"Funkelnde
Goldsplitter, wie kostbar und wertvoll –
im Auge verfangen, brennen sie schmerzvoll."
im Auge verfangen, brennen sie schmerzvoll."
Daher muss
man sich nicht wundern, dass sie sich trauen, in ihre eigene Essschale zu
pinkeln, und sie gleich auch noch zertreten, nachdem sie eben gerade von dieser,
gefüllt mit Buddhas edelstem Nektar, gekostet haben, welche für sie reserviert war. „So die Samen, so die Früchte …“, darin sollte
sich kein großer Zen-Praktiker, der das 'schattenlose Licht' erblickt hatte,
mehr irren dürfen!
"Wenn schon Festhalten,
dann lieber an Sein und Schein –
so groß wie ein Berg,
dann lieber an Sein und Schein –
so groß wie ein Berg,
als das Festhalten an Leere –
so klein wie ein Senfkorn."
Das
Licht existiert nicht! Oder ist das Wesen der Dunkelheit an sich so 'dunkel',
weshalb jenes verdunkelte Territorium, über welches die Dunkelheit herrscht, niemals
erhellt werden könnte? Sich niemals beleuchten ließe? Oder doch, nur wegen der karmisch
vielschichtigen, verblendeten Unwissenheit nicht? Hierfür redet das 'Blitz-Phänomen'
immer wieder für sich selbst, und zwar einleuchtend: Auf
einen Schlag beleuchten Blitze mitten in der Nacht das mit Regenwolken
bedeckte, stockdunkle Tal. Wenn auch nur für ein paar Minütchen, jedoch genügt
dies, um die ganze Tal-Landschaft in herrlich leuchtendem Glanz zu bewundern.
Eine seit tausenden von Jahren verdunkelte Kammer - dank eines einzigen karmischen Windstoßes – bricht das verrostete Eingangstor auf, so dass Sonnenlicht die ganze Kammer auf einen Schlag beleuchtet, bis … der nächste karmische Windzug das Tor wieder schließt. Doch es genügt, wenn auch nur für ein paar Sekunden, um die ganzen unentdeckten Schätze in vollem Glanze erstrahlen zu lassen. Schau! Der goldene Stock. Höre! Das Löwengebrüll des Zen-Meisters Vân Môn:
"Nicht verstricken, nicht irren.
Zwei
Personen, nur einer dankt.
Nicht irren, nicht verstricken.
Tausende
Irrtümer, unzählige Irrtümer!"
"Mô Phật …!"
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Fußnoten und Erläuterungen:
- (*1.) 'Saat-Früchte-Kreislauf': gebräuchliche buddhistische Terminologie für die 'gegenseitig bedingten Wirkungen aller Phänomene' bzw. „karmischer Ursache-Wirkungs-Kreislauf“.
- (*2.) 'Thiền Công Án' (vietn.) bzw. 'Chan Kung-an (chin. Umlaut): Wörtlich 'Öffentlicher Aushang' über ein 'gerichtliches Urteil' (z.B. durch eines Richter), Bestandteil eines Sammelwerks, welches aus vielen 'Công Án'- und 'Quán'-Aufgaben besteht.
- Erläuterungen: 'Quán' (vietn.) bzw. 'Kuan' (chin. Umlaut): Wörtlicher Ursprung 'Samatha' (Sanskrit); allgemeine Bedeutung als 'Wach- bzw. Bewußt-Sein-Zustand', 'kontemplativ', 'nachsinnen' im Zusammenhang mit 'Samadhi' ('Reine Stille'): 'Samatha - Samadhi' bzw. 'Chỉ - Quán'. Für die ausführliche Darlegung des Wortes 'Chan', 'Kung an', etc. und auch für die Meisternamen wie 'Ba Truong', 'Ma To', u.a. ist das 'Bi Yän Lu' – 'Niederschrift von der Smaragdenen Felswand' ein Meisterwerk der Zen-Meister Yüän-Wu und Hsüä-Dou der Yün-Men Wen-Yän Zen-Linie (Hilfreich hierzu die deutsche Übersetzung von Wilhelm Gundert).
- (*3) 'Truyền Đăng Lục': Wörtlich 'Niederschrift über die Laternen-Übertragung'. Für die Zen-Tradition gilt diese Art der Niederschriften nur als ein literarischer Teil des Zen-Meister Werkes bei der 'Inka-Bestätigung' / 'Inka-Übertragung' und ist für den auserwählten Dharma-Nachfolger der nächsten Generation vorgesehen.
- 'Inka' (Sanskrit) bzw. 'Ấn khả' (vietn.): In den westlichen Ländern auch als 'Dharma-Übertragung' bekannt. Das 'Wesentliche des Wesentlichen' bei der 'Inka-Übertragung' geschieht jedoch durch 'Geist zu Geist'.
- Großer Zen-Meister 'Vân Môn' (vietn.) bzw. 'Yün Men' (chin. Umlaut)
- 'Bi Yän Lu' (chin. Umlaut) bzw. 'Bích Nham Lục': Vietnamesische Übersetzung des Obersten Abtes Zen-Meister Thích Thanh Từ
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ein meisterliches, literarisches Zen-Sammelwerk der Bambuswald-Zen-Tradition.
Erste offizielle deutsche Übersetzung der amtlich-hochvietnamesischen Version.
Ausgewählt, übersetzt und kommentiert von Chính Tâm.
Diese Übersetzung unterliegt strikt den
'8 Richtlinien für die buddhistischen Zen-Gelehrten und Sutren-Übersetzer'.
'8 Richtlinien für die buddhistischen Zen-Gelehrten und Sutren-Übersetzer'.
Mitwirkung bei der deutschen Version: Michael
und Freunde der Bodhi-Kontinuum-Zen-Gruppe
Bambuswald-Zen-Tradition, Vietnamesischer Zen-Buddhismus
München/Vaterstetten, den 15. Dezember 2013
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